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Entwicklung eines digitalen Zwillings für die mechanische Flüssigkeitsabtrennung in Dekantierzentrifugen

IGF-Nr. 21638 N

Für die Auslegung von Dekantierzentrifugen werden nach dem Stand der Technik stationäre Modelle (z. B. die Sigma-Theorie nach Ambler) verwendet, die eine Vielzahl an Annahmen bezüglich des Prozess- und Materialverhaltens treffen, so dass bei der Anwendung dieser Modelle Unsicherheiten bestehen. Aus diesem Grund werden von den Herstellern zeitaufwändige Pilotversuche durchgeführt, um herstellerspezifische Korrekturgrößen einzuführen. Um den Aufwand und die Unsicherheiten bei der Auslegung von Dekantierzentrifugen insbesondere für KMU zu reduzieren und den Betrieb zu optimieren, bietet sich der Einsatz eines digitalen Abbildes der Dekantierzentrifuge an, mit dem eine virtuelle Versuchsdurchführung möglich ist.

Wesentliche Bestandteile des digitalen Zwillings sind ein hybrides Prozessmodell und eine präzise on-line Prozessanalytik. Um eine hohe Vorhersagegenauigkeit des Prozessmodells zu erreichen, wurde ein neuartiges hybrides Modell (Grey-Box-Modell) mit serieller Verschaltung entwickelt. Die Integration eines neuronalen Netzes in ein physikalisch-basiertes Modell führt zu einer hohen Vorhersagequalität. Dabei übertrifft das entwickelte Grey-Box-Modell alternative datengetriebene Modelle insbesondere bei der Extrapolation und bei der Vorhersage unbekannter Prozessbedingungen. Dies führt zu einer deutlichen Reduktion der für das Training benötigten Datenmenge. Darüber hinaus ermöglicht die Kopplung des physikalisch-basierten Modells mit einem neuronalen Netz neue Modellierungsansätze. Neben der Verbesserung der grundsätzlichen Modellgüte erlaubt die verwendete Verschaltung Einblicke in bestehende Defizite des physikalisch-basierten Modells. Dies ermöglicht eine gezielte Verbesserung des physikalisch-basierten Modells. Mittels der entwickelten und evaluierten on-line Prozessanalytik ist eine zuverlässige kontinuierliche Überwachung der Feststoffkonzentration und Partikelgrößenverteilung im Zu- und Überlauf realisierbar. Das in Betrieb genommene Laserbeugungsmessgerät MYCELL (Firma Sympatec GmbH) ermöglicht durch die integrierte Verdünnungsstation eine zuverlässige on-line Messung der Partikelgrößenverteilung, auch des hochkonzentrierten Zulaufs. Ein entwickelter Soft-Sensor auf Basis der UV/vis-Spektroskopie erwies sich als kostengünstige Möglichkeit zur on-line Messung der Feststoffkonzentration und Partikelgrößenverteilung. Für KMU im Bereich der Partikelmesstechnik zeigen die erreichten Ergebnisse, wie sie den Anwendungsbereich ihrer Produkte, insbesondere für den on-line Einsatz, erweitern und somit ein Alleinstellungsmerkmal entwickeln können. Die Verwendung der on-line Prozessanalytik und des hybriden Prozessmodells ermöglicht eine gezielte Echtzeit-Optimierung des Trennprozesses. Durch die Nutzung des digitalen Zwillings als Assistenzsystem können KMU die Effizienz des Prozesses verbessern und frühzeitig auf potenzielle Störgrößen reagieren und mögliche Fehlchargen vermeiden. Zudem führt die Möglichkeit der virtuellen Durchführung von Versuchen zu einer Reduktion von teuren und zeitaufwendigen Testversuchen und damit zu einer Kostenreduktion im Auslegungs- und Scale-Up-Prozess. Die Validität des digitalen Zwillings wurde im Rahmen des Projekts sowohl im Labor- als auch im Pilotmaßstab für drei Partikelsysteme (Milch Calcium, Kalkstein und Polyvinylchlorid) nachgewiesen.

Der in diesem Vorhaben entwickelte digitale Zwilling für Dekantierzentrifugen weist ein großes Potenzial zur Prozessoptimierung und Kostenreduktion auf. Außerdem bilden die entwickelten Methoden eine solide Basis für die Weiterentwicklung des digitalen Zwillings im Hinblick auf einen vollautomatisiert geregelten Betrieb von Dekantierzentrifugen oder anderen Separatoren. Für KMU des Maschinen- und Apparatebaus von Dekantierzentrifugen besteht die Möglichkeit, ihr Produktportfolio um diese innovative Technologie zu erweitern und die Konkurrenzfähigkeit zu stärken.

 

Bearbeitet wurde das Forschungsthema von 07/2021 bis 10/2023 am Karlsruher Institut für Technologie (KIT), Institut für Mechanische Verfahrenstechnik und Mechanik am Lehrstuhl Verfahrenstechnische Maschinen (Straße am Forum 8, 76131 Karlsruhe, Tel. 0721/608-42404) unter der Leitung von Prof. Dr.-Ing. Hermann Nirschl (Leiter der Forschungseinrichtung: Prof. Dr.-Ing. Hermann Nirschl)

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BMWk-Logo Das IGF-Vorhaben Nr. 21638 N der Forschungsvereinigung Forschungs-Gesellschaft Verfahrens-Technik e.V., Theodor-Heuss-Allee 25, 60486 Frankfurt am Main wurde im Rahmen des Programms „Industrielle Gemeinschaftsforschung (IGF)“ durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages gefördert.