Im Rahmen des Projektes wurde eine Bandbreite an länglichen Partikeln unterschiedlichen Ursprungs und Beschaffenheit untersucht sowie tiefgehend charakterisiert, um Daten und innovative Methoden KMUs zur Verfügung zu stellen. Dabei wurde besonderes Augenmerk auf die Partikelgrößen- und Formverteilung gelegt und wie sich jene durch Beanspruchung verändern kann. Abweichungen in den Schüttguteigenschaften konnten durch Formfaktoren wie der Konvexität gut abgebildet und erläutert werden. So war beispielsweise zu erkennen, dass eine geringe Konvexität auf ein ausgeprägtes Verdichtungsverhalten schließen lässt, jedoch nicht zwangsläufig auf die Reibeigenschaften zwischen Partikeln. Unterschiedliche Reibeigenschaften lassen sich dagegen eher mit dem strukturellen Aufbau der Partikel erklären. Die Messung an ausgerichteten Glasfaserbündeln hat zudem gezeigt, welchen enormen Einfluss unterschiedlich zueinander ausgerichtete Oberflächen gleicher Struktur auf die interpartikuläre Reibung haben können. Fließt ein solches faserartiges Schüttgut plastisch, so müssen sich die Partikel in der Regel ständig neu umordnen wie auch in den Scherversuchen mit einer transparenten Zelle aufgezeigt wurde. Diese stetige Umordnung führt dazu, dass das Schüttgut Nester bilden kann, welche aufeinander abrollen können unter der Bildung von großen Hohlräumen und sogar vertikalen Bruchebenen im Ringschergerät. Folglich ist die Annahme eines annähernd horizontalen Scherbands nicht zutreffend und die errechneten Schubspannungen stark fehlerbehaftet. Eine Erhöhung der Anzahl an Mitnehmern im Scherdeckel, führt zwar scheinbar zu einer leichten Verbesserung, die stegartigen Mitnehmer können jedoch mit steigender Faserlänge das Schüttgut schlechter penetrieren. Das führt im dargelegten Extremfall dazu, dass keine interpartikuläre Reibung gemessen wird, sondern das Abgleiten der Mitnehmer auf der Schüttgutoberfläche. Aus diesem Grund ist die gezielte Anpassung der Mitnehmerstruktur derzeit noch Thema der Forschung. Zudem reichte die Größe der Scherzelle für die meisten Proben dieses Projekts nicht aus und die elastische Rückdehnung von faserartigen Schüttgütern machte die Einstellung einer bestimmten Dichte beim Anscheren hinfällig.
Aus diesem Grund wurden diverse alternative Testmethoden weiterentwickelt und hinsichtlich des Einflusses der Versuchsprozedurparameter auf die gewonnenen Ergebnisse systematisch untersucht. Insbesondere Durchbruch- und Zugversuche waren Gegenstand dieses Projekts. Durch den qualitativen Vergleich der Festigkeiten aus beiden Testern wird deutlich, dass die Steifigkeit und die Kontaktfläche zwischen den Partikeln von größter Bedeutung sind. Verschiedene Anwendungs- bzw. Beanspruchungsfälle in Relation zur Partikelausrichtung bedingen ein unterschiedliches Fließverhalten. Im Falle einer Silolagerung ist beispielsweise darauf zu achten, dass das Material locker eingefüllt wurde, sodass möglichst viele Fehlstellen schon durch das Einschütten generiert werden. Je rauer und länger die Partikel sind, desto weniger können sie sich unter Last umordnen, sodass das Material an diesen eingebrachten Fehlstellen versagen muss. Weiterhin führen plattige Partikel im Vergleich zu stäbchenförmigen mitunter zu großen Festigkeiten durch die starke Vernetzung zwischen den Partikeln.
Durch Versuche im Modellsilo konnten zwar Unterschiede zwischen den Proben bestimmt werden, jedoch bildeten sich bereits bei sehr niedrigen Füllhöhen Brücken. Zudem lagen die Werte so nah bei einander, dass weitere Versuche im größeren Maßstab notwendig sind, um die Ergebnisse zu validieren differenzieren zu können. Während des Forschungsprojekts sind die komplexen Zusammenhänge zwischen Fließfähigkeit, Festigkeit und der Struktur der Probe und den charakteristischen Eigenschaften der Einzelpartikel überhaupt erst erkannt worden. Mit Hilfe der umfangreichen Versuchsergebnisse konnten diese systematisch ausgewertet und interpretiert werden. Daraus folgt allerdings, dass eine Auslegungsmethode für Silos noch nicht definiert werden konnte. Mit Hilfe unterschiedlicher Messmethoden konnten zwar verschiedene Festigkeiten ermittelt werden, die Bestimmung einer Fließgrenze in Anlehnung an die Methode von Jenike ist mit den bisherigen Kenntnissen jedoch nicht möglich. Vor allem aufgrund der sehr starken elastischen Verformungseigenschaften faserartiger Schüttgüter. Auswertungen mit weiteren Erkenntnissen innovative Forschungsprojekte sowie der parallele Transfer der Ergebnisse in die Wirtschaft u.a. an KMUs sind geplant.
Nichtsdestotrotz ist vor allem der Zugtester in der Lage, selbst bei sehr geringen Spannungen Unterschiede zwischen Schüttungen und auch Veränderungen eines Schüttguts in Form gut reproduzierbarer Ergebnisse wiederzugeben unter der Voraussetzung, dass die vorgestellte Standardprozedur durchgeführt wird. Im Vergleich mit den Durchbruchfestigkeiten ist zudem hervorzuheben, dass Aspektverhältnis, Verformbarkeit, Plattigkeit sowie Oberflächenrauigkeit von Partikeln den größten Einfluss auf die anisotropen Fließeigenschaften der getesteten Materialien haben, wobei die Art des Tests immer in Annäherung auf die Beanspruchung im tatsächlichen Prozess gewählt werden sollte. Die Erkenntnisse und Testmethoden sind trotz fehlender Auslegungsmethode besonders für KMUs von Bedeutung um Unterschiede zu identifizieren, da Neuentwicklungen in diesem Umfang für KMUs üblicherweise nicht realisierbar gewesen wären.
Bearbeitet wurde das Forschungsthema von 02/2018 bis 10/2020 an der Technischen Universität Braunchweig, Institut für Partikeltechnik (Volkmaroder Str. 4/5, 38104 Braunschweig, Tel. 0531/391-9610) unter der Leitung von Dr.-Ing. Harald Zetzener (Leiter der Forschungseinrichtung Prof. Dr.-Ing. Arno Kwade).