Im Rahmen des Forschungsprojekts wurde das Zerkleinerungsverhalten viskoelastischer Stoffe sowohl experimentell untersucht als auch mit Hilfe der Diskrete-Elemente-Methode simuliert.
Für die experimentellen Untersuchungen wurden zwei Anlagen realisiert, die Partikel bis zu einem Durchmesser von 5,5 mm und bis zu einer Geschwindigkeit von 200 m/s durch Einzelprall zerkleinern: Eine Druckluftkanone beschleunigt einzelne Partikel auf eine kleine ebene Zielfläche, und eine Rotorkonstruktion schleudert Partikelkollektive auf eine ringförmige Zielfläche. Bei der Kanone kann die Zielfläche einfach variiert werden (Neigung, Struktur), die realisierbare Anzahl der Partikel je Versuchsbedingung ist jedoch gering. Beim Rotor ist die Anzahl der Partikel wesentlich höher (typischerweise 50-200), allerdings ist die Variation der Zielfläche (senkrechter Stoß, glatt) aufwändig.
Mit beiden Anlagen wurden Versuche für Polypropylen (PP), Polyoxymethylen (POM), Plexiglas (PMMA) und Polyamid (PA) durchgeführt. Das Zerkleinerungsverhalten wurde hinsichtlich Bruchwahrscheinlichkeit und Größenverteilung der Fragmente in Abhängigkeit verschiedener Parameter wie Aufprallgeschwindigkeit, Temperatur, Partikelgröße u. a. charakterisiert.
Für die theoretische Betrachtung wurde ein dreidimensionales Diskrete-Elemente-Modell der Prallzerkleinerung implementiert. Es zeigte sich, dass zur Simulation von Feststoffen – zusätzlich zu den in der Schüttgutmechanik üblichen Wechselwirkungen durch Feder-Dämpfer-Systeme – Biegebalken zur Übertragung der Scherkräfte erforderlich sind. Zudem sollten bei der Konfiguration nicht nur sich berührende Elemente in Wechselwirkung zueinander gesetzt werden, sondern alle Elemente in der unmittelbaren Nachbarschaft, da das Material ansonsten zu viele Fehlstellen aufweisen kann. Hierzu wird eine Delauny-Triangulation verwendet. Die verwendeten Elemente dürfen nicht gleich groß sein, da sich ansonsten regelmäßig gepackte Bereiche mit Anisotropien und richtungsabhängigem Bruchverhalten ergeben. Allerdings wurde gezeigt, dass es hierzu ausreicht, zwei unterschiedliche Elementgrößen zu wählen, wobei die eine Hälfte der Elemente einen Durchmesser von 90 % der anderen aufweist.
Bei der Simulation der Prallzerkleinerung wurden insbesondere Ansätze für die folgenden Fragestellungen untersucht:
Die durchgeführten Rechnungen zeigen, dass diese Ansätze das Bruchverhalten maßgeblich beeinflussen; auch bei ansonsten gleichen Bindungskräften zwischen den Elementen, d.h. gleicher makroskopischer Festigkeit und Elastizität des Partikels.
Das Bruchkriteriums legt fest, bei welcher Belastung die Verbindung zwischen zwei Elementen gelöst wird. Es wurden unterschiedliche Grenzwerte für die maximale Dehnung und die maximale Biegung zwischen Elementen untersucht und ein signifikanter Einfluss der Gewichtung dieser Parameter auf die Partikelgrößenverteilung der Fragmente festgestellt. Diese Werte sind nicht unmittelbar aus makroskopischen Werkstoffkenndaten ableitbar, sie müssen mittels numerischer Experimente angepasst werden.
Zur Beschreibung des plastischen, viskoelastischen Materialverhaltens wurden zwei Ansätze entwickelt und getestet: Entweder verhält sich jede einzelne Verbindung selbst plastisch (Mikroplastizitäts-Modell), oder die Verbindungen bleiben rein elastisch; dafür können gebrochene Verbindungen nach einem Bruch in einer anderen Konstellation wieder geschlossen werden. Dies kann nur in Zonen mit Scherversagen geschehen, da sich bei Versagen auf Zug die Partikel augenblicklich zu weit voneinander entfernen. Das Wiederverbinden von Elementen führt zu einem Abgleiten innerhalb des Materials in Scherzonen, was makroskopisch einem plastischen Materialverhalten entspricht (Scherplastizitäts-Modell). Dieses Modell weist eine starke Wechselwirkung mit dem Ansatz für das Bruchkriterium auf, da durch die Gewichtung der Parameter im Bruchkriterium gesteuert wird, ob das Materialversagen eher in Bereichen mit hoher Zugbelastung oder eher aufgrund von Scherung erfolgt.
Mit beiden Ansätzen wurde plastisches Verhalten simuliert, und das Scherplastizitätsmodell scheint sich als der bessere Ansatz für die Prallzerkleinerung zu erweisen.
Ein unmittelbarer quantitativer Vergleich zwischen den Ergebnissen aus Simulation und Experiment war nicht möglich, da zum Einen die Materialparameter für die sehr dynamische Prallzerkleinerung nicht exakt genug bestimmbar waren und zum Anderen die Ableitung der Parameter aus Materialdaten für das Bruchkriterium und das plastische Verhalten noch nicht gelöst ist.
Eine qualitative Übereinstimmung zwischen Modell und Experiment kann durch eine Kalibrierung der Parameter erreicht werden. Die Trends des Zerkleinerungsverhaltens werden dann richtig wiedergegeben. Mit der Variation der Grenzwerte für den Bindungsbruch erreicht der Scherplastizitätsansatz eine zufriedenstellende Übereinstimmung sowohl für spröde als auch plastische Materialien. Die experimentelle Bruchwahrscheinlichkeit kann recht gut wiedergegeben werden, so dass der gefundene methodische Ansatz eine gute Basis zur Weiterentwicklung der Simulation der Prallzerkleinerung oder anderer hoch-dynamischer Versagens-Situationen polymerer Werkstoffe mit der Diskrete-Elemente-Methode darstellt.
Forschungsstellen: Fraunhofer Institut UMSICHT / Universität Stuttgart
Leiter des Projekts: Dr. J. Blömer / Prof. Dr. H.-R. Trebin
Laufzeit: 01.06.2006-31.08.2008
Betreut durch: AK 4