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Auslegungsstrategien für industrielle Mehrphasen-Schlaufenreaktoren

IGF-Nr. 16829 N

Aufgrund des stetig wachsenden Wettbewerbsdruckes und der zunehmenden Bedeutung ressourcenminimierter Prozessführungen kommt der möglichst exakten Beschreibung von Stoffumwandlungsprozessen eine große Bedeutung zu. In den letzten Jahren wurden zwar große Fortschritte bei der Entwicklung neuer Mess- und Analyseverfahren sowie der Modellierung und computerunterstützten Prozess- und Anlagensimulation gemacht, doch eine genaue Betrachtung der mit diesen Methoden gewonnenen Ergebnisse zeigt, dass die hieraus erarbeiteten Auslegungsunterlagen nur auf wenige Stoffsysteme, Apparatetypen und begrenzte Betriebsbereiche anwendbar sind. Insbesondere dem durch die Abreicherung der Gasphase bzw. lokale Sättigung der Flüssigphase verursachten instationären Stofftransport wurde bisher nur eine sehr begrenzte Aufmerksamkeit gewidmet. Etwas extrem formuliert gilt es festzustellen, dass die derzeit verfügbaren Auslegungsunterlagen für die meisten industriellen Anwendungen von Schlaufenreaktoren keine Gültigkeit besitzen und selbst für das Modellsystem Wasser/Luft im Vergleich sehr große Unterschiede in der Vorhersage von Zielwerten aufzeigen.

Als Zielsetzung der vorliegenden Arbeit steht daher die Bereitstellung zuverlässiger und robuster Auslegungsunterlagen und –methoden für die mit Mehrphasenströmungen betriebenen Airlift- und Treibstrahl – Schlaufenreaktoren im Zentrum des Interesses. Hierbei sollen bestehende Modelle und Berechnungsansätze zur Anwendung kommen und deren Anwendbarkeit auf praxisrelevante Stoffsysteme/Betriebsbedingungen sowie Reaktorgeometrien und –größen getestet werden sowie ggf. eine Erweiterung zur Verbesserung der Übertragbarkeit erfahren.

Eine erste Analyse der vorhandenen Korrelationen und Modelle ergab, dass es in der zum Vergleich erforderlichen Datenbasis große Lücken gibt, die es im Bereich der sich in den Reaktoren einstellenden Gasgehalte, Flüssigkeit- und Partikelschwarmgeschwindigkeit sowie dem volumetrischen Stoffübergangskoefizienten zu füllen gilt. Das betrifft Reaktoren unterschiedlicher Geometrie und Größe sowie auch eine erweiterte Stoffsystembasis. Hierauf basierend wurden zwei unterschiedlich große Schlaufenreaktoren (D=100 mm; H=750 mm und D=600mm; H=4 m) errichtet, die sowohl als Airlift- wie auch Treibstrahl – Schlaufenreaktor betrieben werden können. Als Stoffsysteme sind Wasser, Äthanol und Silikonöl zur Anwendung gekommen, wobei zur Vergleichbarkeit als Gasphase eine Konzentrierung auf Sauerstoff (Luft) stattfand.

Ein sehr umfangreiches Messprogramm wurde durchgeführt, wobei hinsichtlich der zur Aufnahme integraler und lokaler Messgrößen neben den bekannten am Institut vorhandenen sehr umfangreichen Ausstattung Elektroden und auch weitere Messgeräte auch zwei neue Elektroden zum Einsatz kamen. Bei diesen modernen und sehr hochgelobten Elektroden handelt es sich um die zur Aufnahme der Blasengeschwindigkeit und des Blasendurchmessers einzusetzende „Thermonadelsonde“ der Fa. teletronic Rossendorf GmbH und die Sauerstoffsonde der Fa. Hamilton, die aufgrund der innovativen auf Auswertung eines Fluoreszenzsignals beruhenden Messprinzips auch für andere Systeme als nur Wasser geeignet ist. Die experimentellen Ergebnisse belegen, dass unabhängig vom Stoffsystem die funktionellen Zusammenhänge zwischen der Einflussnahme der Gasleerrohrgeschwindigkeit, Energiedissipationsdichte, Reaktorgeometrie und –größe sowie Stoffdaten auf den Gasgehalt, die Hydrodynamik und volumetrischen Stoffübergangskoeffizienten erhalten bleibt und nur im Absolutwert sich widerspiegelt. Was es auch zu ermitteln galt.

Unter Verwendung der gerade für diese Reaktortypen und für das Stoffsystem Wasser/Sauerstoff am Institut für Umweltverfahrenstechnik vorhandenen sehr umfangreichen Datenbank ist es nun möglich eine Validierung der in der Literatur beschriebenen Modellgleichungen durchzuführen. Eine Erhärtung, Wiederlegung oder notwendige Modifizierung dieser Auslegungsunterlagen zur praxisrelevanten und skalenübergreifenden Anwendbarkeit sollte hierbei die besondere Aufmerksamkeit gewidmet werden. Hiermit verbunden wurde bereits innerhalb der Messungen festgestellt, dass gerade diese neuen Elektroden, selbst bei genauer Einhaltung der Kalibrierung, fehlerhafte Ergebnisse und damit zu kleine Messergebnisse dokumentierten. Insofern mussten ganze Messreihen mehrfach durchgeführt werden, um den eigentlichen Fehler feststellen zu können. Konnte der Fehler der neuen Nadelsonde durch umfangreiche Untersuchungen, neue Eichungen sowie Hochgeschwindigkeitsaufnahmen und Vergleiche mit unseren alten Sonden  korrigiert werden, so gelang dies bei der neuen Sauerstoffelektrode nicht so einfach. Hier musste eine komplette Analyse der Messmethodik und Einflussnahme der Messsondendynamik realisiert werden.

Heute sind wir sehr glücklich über diesen Sachverhalt, denn obwohl wir einen sehr umfangreichen Mehraufwand an Finanzen und Arbeitszeit leisten mussten, ist es uns gelungen die vorher genannte Aufgabe einer Validierung der in der Literatur beschriebenen Modellgleichungen erfolgreich durchzuführen und die Ursache für die großen Differenzen in den Ergebnissen der Auslegungsunterlagen aufzuklären. Die von allen beim System Wasser/Sauerstoff (Luft) angewendete dynamische Messmethode basiert auf der Annahme stationärer Bedingungen. Hierbei wird nach Desorption des Sauerstoffs aus der Flüssigkeit auf Luftbegasung umgeschaltet und die sich in der Flüssigkeit einstellende Sauerstoffkonzentration gemessen. Bei der Auswertung wird vorausgesetzt, dass die gasseitige Sättigungskonzentration in der Phasengrenzfläche entlang des Weges der Blasen konstant bleibt. Dieser Fehler wird mit zunehmender Reaktorhöhe immer deutlicher und erhält einen dominanten Einfluss. Ganz anders bei kleinen Reaktoren wo die Systemantwort sehr kurz ist und damit die Ansprechzeit der Elektroden einen entscheidenden Einfluss auf den messtechnischen Fehler erhält. Um die hieraus resultierenden Fehler quantifizieren zu können gelang es durch Ankauf leider erst am Ende der Projektlaufzeit angebotene und nahezu ohne Ansprechzeit arbeitende neue Nadelelektrode zur Sauerstoffmessung zu kaufen und einzusetzen. In der Kosten neutralen Verlängerung wurde daher das ganze Messprogramm noch einmal wiederholt, um diesen entscheidenden Fehler quantifizieren zu können. Hiernach ist festzustellen:

-       Vernachlässigung der Ansprechzeit von Messtechniken zur Ermittlung der Konzentration der Übergangskomponente. Dies führt insbesondere bei kleinen Apparatevolumina zu großen Fehlern von bis zu 1000% (vgl. Abschnitt 2.1 u. 2.2 „Ansprechzeit“).

-       Berücksichtigung der Ausgangsbedingungen bei Sättigungsversuchen. Ein Verbleib des Strippgases im Apparat setzt insbesondere bei Treibstrahlbetriebsweise (TSR) mit hohem Kreisgasanteil den ermittelten vol. Stoffübergangskoeffizienten deutlich herab (vgl. Abschnitt 2.1 „Entgasung“).

-       Vernachlässigung der Abreicherung der Gasphase bei der Ermittlung von vol. Stoffübergangskoeffizienten. Je nach Betriebsweise und Apparatevolumen wird der vol. Stoffübergangskoeffizient um bis zu 30% unterschätzt (vgl. Abschnitt 2.1 u. 2.2 „Abreicherung“).

Ein Vergleich oder eine Übertragung von Korrelationen wird bei gleichen Grundbedingungen im Wesentlichen nach dem Aspekt geometrischer Ähnlichkeit, also H/D realisiert. Genau das ist aber ein großer Fehler, da bei den Literaturdaten die alten Sauerstoff – Elektroden und bei gleichem H/D unterschiedliche Reaktorvolumen verwendet worden sind. Hierauf basierend wurden die in der Literatur angegebenen Auslegungsdaten (Korrelationsergebnisse) in Abhängigkeit der Höhe des verwendeten Technikumreaktors  aufgetragen und deutlich dieser Einfluss dokumentiert. Der letztgenannte Volumen bzw. Höheneffekt kann als Übertragungskriterium durch Berücksichtigung der Fourier – Zahl berücksichtigt werden.

Die beiden erstgenannten Effekte können durch eine geeignete Messtechnikauswahl und klare Definition der Versuchsbedingungen vermieden werden. Hinsichtlich der Verwendung von in der Literatur angegebener Korrelationsgleichungen der Vergangenheit muss darauf hingewiesen werden, dass ein Mindestvolumen vorausgesetzt werden muss, um den durch die Ansprechzeit verursachten Fehler zu umgehen. Auf diesen Erkenntnissen basierend musste in Verbindung einer Sensitivitätsanalyse der verschiedenen Korrelations – Gleichungen festgestellt werden, dass nur eine neue insbesondere die Fourier – Kennzahl berücksichtigende Korrelationsgleichung erforderlich wird. Ein erster Entwurf wird in der Arbeit vorgestellt.

Um die gewonnen experimentellen Daten und Literaturdaten für die industrielle Praxis nutzbar zu machen wurde darüber hinaus auch eine Internetplattform entwickelt, die es ermöglicht auch mit eigenen Daten Berechnungen mit gängigen Korrelationsgleichungen vornehmen zu können. Die Plattform ist unter der Adresse: www.iuv.uni-bremen.de/auslegungsstrategien zu erreichen und es steht zunächst die Funktionalität für Airlift-Schlaufenreaktoren zur Verfügung.

Die wesentliche Zielsetzung Auslegungsempfehlungen und Berechnungsgrundlagen für das Scale-up eines in der Industrie weit verbreiteten Reaktortyps zu erarbeiteten, so dass auch eine Anwendung auf praxisrelevante Systeme und Geometrien möglich wird, ist somit erreicht. Mit der am IUV erarbeiteten Datenbank kann darüber hinaus den Nutzern eine Datenbasis zur Verfügung gestellt werden, welches eine Validierung auch künftig aus der Literatur zu ersehenden neuen und ggf. modifizierten Gleichungen ermöglicht. Besonders vorteilhaft ist es aber, dass die neuen Erkenntnisse über die dominierenden Einflussgrößen auf den Stofftransport in Reaktoren es künftig ermöglicht mit wenigen Messpunkten ein Parameterfeld abzuarbeiten. Eine in diesem Projekt erarbeitete Korrelationsgleichung bietet erstmals den Ansatz einer kategorischen von Airlift-Schlaufenreaktoren im System Wasser-Luft. Die Apparategröße fließt in die physikalische Beschreibung der Stofftransportleistung ein. Hierdurch wird der Einfluss der Kontaktzeit von Blase und Flüssigkeit berücksichtigt. Daher ist ein in im Vergleich zur Literatur verbesserter Scale-Up durchführbar. Es konnte gezeigt werden, dass eine Änderung des Stoffsystems der Phänomenologie des Stofftransportes folgt und die vorgeschlagene Gleichung das Potenzial zur umfassenden Beschreibung von Airlift-Schlaufenreaktoren besitzt. Die wesentliche Zielsetzung einer Vereinfachung der Auslegung von Schlaufenreaktoren ist erreicht worden.

Bearbeitet wurde das Forschungsthema vom 12/10 bis 11/13 von der Universität Bremen, Institut für Umweltverfahrenstechnik (Leobener Straße Gebäude UFT, 28359 Bremen, Tel.: 0421/218-63333) unter der Leitung von Dipl.-Ing. Ulrich Mießner (Leiter der Forschungsstelle Prof. Dr.-Ing. Norbert Räbiger).

 


 

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